Der 1.Oktober 1970 kann sicher als Markstein in der inzwischen mehr als 35 Jahre andauernden freundschaftlichen Beziehungen zwischen deutschen und französischen Tierärzten bezeichnet werden. Wurde doch an diesem Tag bei einem denkwürdigen Kongress in Garmisch-Partenkirchen die Union Européene des Vétérinaires Praticiens (UEVP) gegründet.
Im Gegensatz zu der seit mehr als 100 Jahren bestehenden weltweiten Zusammenarbeit der veterinärmedizinischen Wissenschaft hat die nicht minder wichtige Berufspolitik bisher an den Staatsgrenzen haltgemacht. Es ist ein Verdienst vor allem der französischen Freiberufstierärzte, dass durch diese Gründung die bisherigen nationalen Schranken überwunden worden sind. Auf ihre Initiative, die in der sogenannten Charta von St. Malo beim französischen Tierärztekongress 1968 in St. Malo ihre ersten Früchte getragen hat und die von den meisten europäischen Berufsverbänden mit viel Begeisterung unterstützt wurde, konnte die UEVP gegründet worden. Sie hat zu ihrem 1. Präsidenten den Präsidenten der französischen prakt.Tierärzte, Docteur Remy Mornet, gewählt. Es war damals das Ziel dieser Gründung, den auf vielen Gebieten notwendigen Wandel zu schaffen und für die beruflichen, rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Tierärzte auf europäischer, aber auch auf nationaler Ebene einzutreten.
Dank der überragenden Persönlichkeit von Remy Mornet und Dank der wirkungsvollen Unterstützung durch den Kollegen Pezières hat sich die UEVP sehr rasch zu einer wirkungsvollen Interessenvertretung der prakt.Tierärzte enwickelt, deren Mitgliederzahl von damals 9 auf heute 35 Ländervertretungen gestiegen ist. Aber nicht nur für die Vertretung der vorwiegend wirstchaftlichenInteressen der Tierärzte war diese UEVP-Gründung bahnbrechend. Es haben sich daraus auch enge freundschaftliche Beziehungen auf bilateraler Ebene zwischen französischen und deutschen Tierärzten entwickelt. Sichtbarer Beweis dafür sind die in den 70 er Jahren gegründete Deutsch-Französische und die auf regionaler Ebene aktive Badisch-Elsässische Tieräztevereinigung. An erster Stelle muss hier der Name André Desbois genannt werden. Er, der schon bei der UEVP-Gründung in Garmisch-Partenkirchen mit Begeisterung mitgewirkthatte, hat seither und bis zum heutigen Tag die freundschaftlichen Beziehungen zwischen französischen und deutschen Tierärzten in einer Art undWeise geprägt, wie kein Zweiter. Ihm ist es in erster Linie zu verdanken, dass das Verhältnis zwischen französichen und deutschen Tierärzten ein ganz besonderes, eben ein freundschaftliches, ist. Er hat massgeblich dazu beigetragen, die lange Zeit noch bestehenden beiderseitigen Ressentiments abzubauen. Wenn in jüngster Zeit hier und da von einem nachlassenden Interesse an derartigen bilateralen und berufsbezogenen Vereinigungen die Rede ist, dann mag das vielleicht zutreffen. Es ist dies dann aber sicherlich dem Umstand zuzurechnen, dass bilaterale freundschftliche Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich heutzutage zur Norm gehören und auf allen Ebenen - von der hohen Politik bis zu Städte- und Vereinspartnerschaften - gut funktionieren. Das sollte eigentlich mit grosser Genugtuung registriert werden. Doch darüberhinaus sollte unter allen Umständen die besondere Qualität dieser deutsch-französischen Tierärztefreundschaft am Leben erhalten und weiterentwickelt werden.
Prof. Dr. med.vet. Horst Hagenlocher